Arbeiten in der Intensivbetreuung

SSBL Bewohner und Betreuerin im Alltag  | © copyright by jutta vogel

Strukturen und genau geregelte, individuelle Tagesabläufe bilden in der IWG den Rahmen für ein möglichst selbstbestimmtes Leben der Bewohnerinnen und Bewohner.

In Wohngruppen mit Schwerpunkt Intensivbetreuung leben Menschen mit herausforderndem Verhalten. Hier ist einiges anders, als man es sich von «normalen» Wohngruppen gewohnt ist. - Die Leiterin einer Wohngruppe gibt Einblick.

Klienten/-innen von Wohngruppen mit Intensivbetreuung zeigen meist ein grosses Repertoire an unterschiedlichen Verhaltensauffälligkeiten, Zwängen, Ängsten und Selbst- oder Fremdaggressionen. In der Intensivwohngruppe sind wir auf Bewohner/-innen mit einem solch herausfordernden Verhalten ausgerichtet.

Vor der Aufnahme eines Klienten/einer Klientin in die Intensivwohngruppe klären wir sehr genau ab, worin die Verhaltensauffälligkeit besteht. Ein Grund kann beispielsweise sein, dass jemand durch Verhaltensauffälligkeiten beginnt, seine Umwelt zu dominieren und andere dadurch massiv in ihrer Lebensqualität einschränkt.

In der Intensivwohngruppe können wir den besonderen Bedürfnissen der Bewohner/-innen durch ausgefeilte Tagesstrukturen gerecht werden und ihnen die erforderliche intensive und individuelle Begleitung und Betreuung bieten. Wir gestalten für sie die Umwelt so, dass sie ihren Zwängen, Ängsten und Kommunikationsschwierigkeiten weniger unterliegen. So können sie beginnen, neue Bereiche für sich zu erschliessen, und gewinnen schrittweise wieder mehr Autonomie und Selbstwirksamkeit.

Reize minimieren

In einer unserer Wohngruppen mit Intensivbetreuung leben fünf Frauen mit Autismus-Spektrum-Störung (ASS). Für sie ist es wichtig, dass wir ihrem inneren Chaos äussere Sicherheit entgegensetzen. Zu diesem Zweck haben wir für jede Bewohnerin persönlich zugeschnittene und durchstrukturierte Tagespläne. Dies garantiert ihnen eine Orientierung in Zeit, Raum und Handlung. Sie wissen, dass alle Mitarbeitenden ungefähr zur selben Zeit am selben Ort dieselbe Handlung durchführen. So können sie zur Ruhe kommen, nichts Unerwartetes platzt in ihr Leben und bringt sie durcheinander.

Menschen mit Autismus-Spektrum-Störung werden auf unterschiedlichen Kanälen mit Reizen aus der Umwelt «bombardiert». Ihr Gehirn ist enorm überlastet, da es nicht in der Lage ist, aus Millionen von Informationen die Wichtigen herauszufiltern. Die Folgen sind massive Wahrnehmungsstörungen durch ungefiltertes Sehen, übersensibles Hören, taktile Überreizung oder durch Kombinationen davon. Aus diesem Grund sind die Räumlichkeiten den Bedürfnissen der Bewohnerinnen entsprechend reizarm ausgestattet.

Wichtiger Faktor Zeit

Da genau festgelegte Strukturen und Abläufe so wichtig sind, halten sich die Mitarbeitenden diszipliniert an die Tagespläne der Bewohnerinnen. Zudem beobachten wir stets genau deren Befindlichkeit. Trotz routinierter Tagesgestaltung müssen wir jedoch sehr aufmerksam sein, da jederzeit und recht plötzlich Selbst- oder Fremdaggressionen auftreten können.

Mit sehr guter Beobachtungsgabe, Kombinationsvermögen und Kreativität können wir den Auslösern für ein bestimmtes Verhalten (sogenannten Triggern) der Bewohnerinnen auf die Spur kommen. Wenn wir Trigger erkennen und aus der Umwelt der Bewohnerin entfernen können, steigert sich ihre Lebensqualität unmittelbar. Für all dies ist Zeit einer der wichtigsten Faktoren. Zeit, die glücklicherweise in punktuellen Eins zu eins-Betreuungssequenzen einer Intensivwohngruppe gegeben ist und sich enorm lohnt.